Baron, Stefan by Spaete Reue
Autor:Spaete Reue
Die sprache: deu
Format: mobi, azw3
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Kapitel 7
Zwischen Triumph und Demut
Während am Donnerstag, dem 16. Oktober 2008, im Berliner Reichstag die parlamentarische Beratung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes in die letzte Runde geht, haben sich rund 200 Führungskräfte, die wichtigsten Entscheidungsträger der Deutschen Bank, zu ihrer alljährlichen Tagung versammelt. Ursprünglich sollte das Treffen, das immer zwischen den Kontinenten wechselt, in Washington stattfinden. Wegen der brisanten Lage auf den Finanzmärkten gibt es diesmal aber nur eine Video- bzw. Telefonkonferenz aus Frankfurt heraus. Im Ausweichquartier der Bank an der Messe â die beiden Türme der Bankzentrale an der Taunusanlage werden von Grund auf renoviert â ruft Josef Ackermann seine engsten Mitstreiter in aller Welt dazu auf, ihr Bestes zu geben, damit die Bank möglichst gut durch die Krise kommt. Dabei sagt er einen Satz, den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung später zum »Zitat des Jahres« erhebt: »Es wäre eine Schande, wenn wir einräumen müssten, dass wir Geld vom Steuerzahler brauchen.« Oder genauer, im Original: »It would be a shame if we would have to concede that we need taxpayerâs money.«
Die Konferenz ist kaum zu Ende, da verbreitet Spiegel Online am Nachmittag schon eine zugespitzte deutsche Version: »Ich würde mich schämen, wenn wir Staatsgeld annehmen würden«, soll der Deutsche-Bank-Chef gesagt haben. Jemand aus dem Führungskreis hatte offensichtlich geplaudert.
Die Indiskretion kommt zum politisch denkbar ungünstigsten Zeitpunkt und einer behutsamen Kommunikation des Themas zuvor. Die Soffin-Abstinenz der Bank sollte auf jeden Fall erst nach Inkrafttreten des Gesetzes bekanntgegeben werden, wenn möglich erst, nachdem einige Banken bereits einen Hilfsantrag gestellt hatten.
Für einen Moment denke ich daran, die veröffentlichte Version von Ackermanns Aussage zu korrigieren. SchlieÃlich lässt sich »It would be a shame« auch als »Es wäre bedauerlich« übersetzen. Aber ich verwerfe den Gedanken schnell wieder. Eine wortklauberische Auseinandersetzung in der Ãffentlichkeit würde alles nur noch schlimmer machen und die Bank wenig souverän aussehen lassen.
Zunächst findet die Meldung ohnehin kein groÃes Echo. Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich stattdessen auf eine Vorabmeldung der Bild am Sonntag aus einem mit Josef Ackermann geführten Interview. Darin kündigt dieser an, zusammen mit seinen Kollegen im operativen Führungsgremium der Bank, dem GEC, im laufenden Jahr »als ganz persönliches Zeichen der Solidarität« freiwillig auf einen Bonus zu verzichten, ein Betrag von mehreren Millionen Euro allein für ihn.
Dafür hatte der Schweizer nicht lange überlegen müssen. Er weià aus erster Hand, wie schwer es den Politikern in Berlin und anderen Hauptstädten fällt, die Steuermilliarden zur Rettung der Banken bereitzustellen. Wenn Banker, auch ohne Staatsgeld in Anspruch zu nehmen, nun Millionen-Boni bekämen, würde das unweigerlich einen öffentlichen Aufschrei auslösen.
Zudem steht zu befürchten, dass das Ergebnis des letzten Quartals für die Bank sehr schlecht ausfallen und ihr erstmals einen Jahresverlust bescheren könnte. Neben den Steuerzahlern hätten auch die von Kurs- und Dividendenverfall gebeutelten Aktionäre wenig Verständnis für Millionen-Boni. Ein freiwilliger Verzicht hingegen, so das Kalkül, würde an alle Stakeholder das Signal senden: Wir haben verstanden.
Als Chef der gröÃten Bank des Landes und Präsident des internationalen Bankenverbands sieht sich Josef Ackermann in der Pflicht, dieses Signal als Erster zu geben. Er operiert ohnehin nach der Devise: Wo ich bin, ist vorn.
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